Der römische Wohnplatz auf der Ottmarsheimer Höhe, zwischen Mundelsheim und Besigheim gelegen, zählt zu den eindrucksvollsten Zeugnissen römischer Besiedlung im mittleren Neckarraum. Die Siedlung, die sich über mehrere Hektar erstreckte, war weit mehr als ein einzelner Gutshof: Sie bildete einen Vicus, also eine dorfartige Ansiedlung mit Wohn-, Gewerbe- und Kultbereichen, die vom frühen 2. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. bestand. Ihre Lage auf einer markanten Hochfläche über dem Neckartal war kein Zufall.
Von hier aus kontrollierte man nicht nur die Verkehrswege zwischen Walheim, dem Kastell Mainhardt und den Flusssystemen von Bottwar, Murr und Neckar, sondern auch die fruchtbaren Lössböden der Umgebung, die ideale Voraussetzungen für Landwirtschaft boten.
Siedlungsstruktur und Architektur
Die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte haben ein bemerkenswert differenziertes Bild der Siedlung freigelegt. Entlang einer zentralen Achse erstreckte sich eine Streifenhaussiedlung, wie sie für römische Dörfer typisch ist. Mindestens fünf solcher Häuser konnten eindeutig nachgewiesen werden, doch die Befundlage deutet darauf hin, dass die Siedlung ursprünglich deutlich größer war. Die Gebäude bestanden aus einer Mischung von Fachwerk-, Holz- und Steinarchitektur. Einige besaßen massive Steinkeller, die vermutlich zur Lagerung von Lebensmitteln, Werkzeugen oder Handelswaren dienten. Andere wiesen Lehmfußböden, Wandverputzreste und Spuren von Innenraumgliederungen auf, die auf eine differenzierte Nutzung hinweisen.
Besonders auffällig ist die hohe Zahl an Brunnenanlagen. Viele waren sorgfältig mit Holz verschalt, was auf eine dauerhafte Nutzung schließen lässt. Die dendrochronologischen Untersuchungen der Brunnenhölzer ergaben Fällungsdaten um 136 n. Chr. und 158 n. Chr., was die Hauptbauphase der Siedlung in die Regierungszeit der Kaiser Hadrian und Antoninus Pius legt – eine Epoche wirtschaftlicher Stabilität und intensiver römischer Expansion im südwestdeutschen Raum.
Gewerbe, Handwerk und Alltagsleben
Der nördliche Teil des Vicus war eindeutig gewerblich geprägt. Hier fanden Archäologen Schmiedeöfen, Schlackegruben und Reste von Werkplätzen. Die Menge an Schlacke deutet auf eine kontinuierliche Metallverarbeitung hin, vermutlich zur Herstellung von Werkzeugen, Beschlägen, Nägeln und landwirtschaftlichen Geräten. Auch Keramikfunde – darunter Terra Sigillata, Gebrauchskeramik und Amphorenfragmente – belegen einen regen Austausch mit anderen Regionen des Reiches. Importierte Waren aus dem Rheingebiet, Gallien und sogar dem Mittelmeerraum zeigen, dass Ottmarsheim keineswegs ein abgelegenes Dorf war, sondern in ein weitreichendes Handelsnetz eingebunden war.
Religion und Kult
Ein herausragender Befund ist das Mithräum, ein unterirdisches Heiligtum des Gottes Mithras. Solche Kultstätten sind im südwestdeutschen Raum selten und deuten auf die Anwesenheit von Soldaten, Händlern oder reisenden Handwerkern hin, die diesen Mysterienkult pflegten. Das Mithräum von Ottmarsheim war vermutlich ein kleiner, aber sorgfältig angelegter Kultraum mit Altar, Banknischen und kultischen Ablagerungen.
Ein weiterer bedeutender Fund ist ein Relief der Göttin Herecura, das in einem Brunnen entdeckt wurde. Herecura, eine keltisch-römische Unterwelts- und Schutzgöttin, wurde häufig in ländlichen Siedlungen verehrt. Ihr Auftreten in Ottmarsheim zeigt, wie vielfältig und synkretistisch die religiöse Landschaft des Vicus war: Neben römischen Staatsgöttern fanden auch lokale und orientalische Kulte ihren Platz.
Gräberfeld und Bestattungskultur
Am Rand der Siedlung wurde 2004 ein Brandgräberfeld freigelegt, das 24 Brandgräber sowie eine Ustrina, einen Verbrennungsplatz, umfasst. Die Gräber enthielten Urnen, Beigaben wie Fibeln, Keramik, Münzen und persönliche Gegenstände. Die Vielfalt der Beigaben lässt Rückschlüsse auf soziale Unterschiede innerhalb der Gemeinschaft zu. Einige Gräber waren schlicht, andere sorgfältig ausgestattet – ein Spiegelbild der sozialen Struktur des Vicus.
Einbettung in die römische Infrastruktur
Die Lage der Siedlung ist für die Limesforschung von besonderer Bedeutung. Ottmarsheim liegt östlich der traditionellen Linie des Neckar-Limes, was darauf hindeutet, dass die römische Grenzorganisation komplexer war als lange angenommen. Die Siedlung könnte als Zwischenstation zwischen Walheim und den Höhenkastellen des Schwäbischen Waldes gedient haben. Zudem existieren Hinweise auf einen römischen Gutshof in unmittelbarer Nähe, dessen Keller von der Stadt Besigheim dokumentiert wurde. Dies zeigt, dass der Vicus nicht isoliert war, sondern in ein Netz von villae rusticae eingebettet war, die die Region landwirtschaftlich prägten.
Landschaft, Ressourcen und Lebenswelt
Die Ottmarsheimer Höhe bot ideale Bedingungen für eine römische Siedlung:
- fruchtbare Lössböden für Getreide, Wein und Hülsenfrüchte
- Nähe zu Wasserläufen wie Neckar, Murr und Bottwar
- gute Sichtachsen über das Tal
- windgeschützte, leicht erhöhte Lage
- Zugang zu Holz, Lehm und Stein
Diese Kombination aus Ressourcen und strategischer Lage erklärt, warum die Römer hier nicht nur einen Gutshof, sondern eine komplexe, arbeitsteilige Siedlung errichteten.
Auch heutzutage finden sich auf Äckern in der Nähe noch viele Teile der Siedlung. Vor allem Ton, Keramik und Steine.
Quellen:
Wikipedia, Geschichtsblätter Besigheim Frank Merkle,LEO BW
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