
Die Geschichte der Hochadelsburg Wolfsölden ist eng mit dem Aufstieg und der Verlagerung eines bedeutenden Adelsgeschlechts verbunden: der Hessonen. Ursprünglich im Raum Sülchgau und Backnang ansässig, dehnten die Hessonen ihren Einfluss im 11. Jahrhundert bis ins Murrtal aus. Mit der Heirat von Gisela von Backnang, einer Verwandten der Kaiserin Gisela, festigten sie ihre Stellung in Backnang und errichteten dort eine Burg oberhalb der heutigen Stiftskirche. Doch gegen Ende des Jahrhunderts verlagerte sich ihr Herrschaftszentrum nach Wolfsölden, wo sie eine repräsentative Burg errichteten und fortan den Namen „von Wolfsölden“ führten.
Die Burg Wolfsölden entwickelte sich zu einem Zentrum adeliger Macht. Der Ort war nicht nur Sitz der Familie, sondern auch Standort einer Burgkapelle und eines Hochgerichts, das sich durch Flurnamen wie „Kapellenberg“ und „Hauptäcker“ bis heute nachweisen lässt. Besonders hervorzuheben ist Bischof Siegfried von Wolfsölden, der von 1127 bis 1146 das Bistum Speyer leitete und politisch zwischen König Lothar und den Hohenstaufen vermittelte. Auch seine Brüder Gottfried und Gerhard von Schauenburg traten als Stifter und politische Akteure in Erscheinung.
Nach dem Tod der letzten Wolfsölder Hessonen ging die Herrschaft durch Erbschaft und Heirat an die Grafen von Calw-Löwenstein über. Ruchina von Wolfsölden, eine Tochter des Hauses, wurde um 1226 zur Geliebten von Kaiser Friedrich II. und brachte die Herrschaft in ihre Ehe mit Graf Gottfried II. von Calw-Löwenstein ein. Wolfsölden blieb bis 1277 Teil dieser Grafschaft, bevor sie an Bischof Bertold von Würzburg verkauft und wenig später von König Rudolf von Habsburg für das Reich erworben wurde. Er übertrug die Burg seinem unehelichen Sohn Albrecht von Löwenstein Schenkenberg, dem Begründer des mittleren Hauses Löwenstein.
Doch die Burg geriet bald in die Wirren des Reichskriegs. 1286 wurde sie von Graf Eberhard von Württemberg zerstört, 1312 erneut „verherget und verbrannt“. Nach weiteren Besitzwechseln gelangte sie 1322 endgültig an Württemberg. Ihre strategische Bedeutung war zu diesem Zeitpunkt bereits geschwunden; sie diente fortan nur noch als Jagdrefugium oder Förstersitz. Spätestens 1521 war sie eine Ruine, wie auch die Kieser’sche Forstkarte von 1686 zeigt, auf der noch Mauerreste zu erkennen sind, siehe Bild ganz oben.
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Burg als Steinbruch genutzt und nahezu vollständig abgetragen. Erst durch archäologische Grabungen unter der Leitung von Susanne Arnold konnte ein neuer Blick auf die versunkene Welt der Wolfsölder Hessonen gewonnen werden. Die Geschichte dieser Burg, einst Zentrum eines weit verzweigten Hochadelsgeschlechts, lässt das frühe Mittelalter im Murrtal in einem neuen Licht erscheinen – geprägt von Macht, Wandel und dem bleibenden Echo einer untergegangenen Herrschaft.
Archäologische Untersuchung 2015
Die archäologischen Grabungen in Wolfsölden ausgelöst durch ein geplantes Bauvorhaben im Jahr 2005, brachten überraschend hochwertige Befunde zur mittelalterlichen Burg der Hessonen zutage. Die Ausgrabungen dokumentieren eine komplexe Baugeschichte und geben wertvolle Einblicke in das Leben auf einer hochadligen Burg zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert.
Die Kernburg war durch eine Umfassungsmauer aus Handquadern geschützt, die in einen Graben gesetzt und nach Fertigstellung sofort verfüllt wurde. Ein trapezförmiger Wohnturm mit rund 10,5 m Innenmaß und 2,3 m Mauerstärke konnte freigelegt werden; seine Höhe wird auf drei bis vier Geschosse geschätzt. Weitere massive Steinbauten, darunter ein möglicher Küchenbau und ein Fachwerkgebäude mit Schmiede, zeugen von handwerklicher Nutzung. Besonders bemerkenswert ist ein kleiner Raum mit Heißluftofen, vermutlich eine Badstube – ein Hinweis auf gehobenen Lebensstil und technisches Know-how. Eine aufwendig konstruierte Filterzisterne mit Tonschicht und Sandstein-Schacht diente vermutlich der Wasserversorgung in Notzeiten.
Nach einer Zerstörung um 1300 wurde die Burg in vereinfachter Form wieder aufgebaut. Die Umfassungsmauer wurde in schlechterer Qualität neu errichtet, luxuriöse Einrichtungen wie die Zisterne aufgegeben. Neue Gebäudeflügel und Keller wurden angelegt, darunter ein Nordflügel mit Sandsteinportal und ein Südflügel mit Außenmauer.
Die Funde aus Glas, Metall und Keramik belegen die hohe Stellung der Burgbewohner. Besonders hervorzuheben sind eine Scherbe eines orientalischen Glasbechers mit weißer Fadenauflage aus dem 11./12. Jahrhundert sowie eine türkis glasierte Fayencescherbe mediterraner Herkunft. Metallfunde wie Pfeilspitzen, ein Stachelsporn und eine Lockpfeife für die Falkenjagd ergänzen das Bild einer repräsentativen Adelsburg.
Die Grabungen zeigen, dass Wolfsölden ein überregional bedeutender Fundplatz für die frühe Burgenarchäologie im Südwesten Deutschlands ist. Dank des Engagements von Denkmalpflege und Gemeinde konnte der Platz der Kernburg vor Überbauung bewahrt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Funde:
🧱 Bauliche Strukturen
- Umfassungsmauer aus lagig gesetzten Handquadern, teils mit größeren Eckquadern
- Wohnturm mit trapezförmigem Grundriss (Innenmaß ca. 10,5 m, Mauerstärke 2,3 m)
- Steinbau auf Westseite, vermutlich Küchenbau (nur Südmauer erhalten)
- Fachwerk-Schmiede mit Feuerstelle und Rauchabzug
- Lehmbau mit Pfosten- und Steckenspuren, Nutzung unklar
- Heißluftofen mit Brennkammer und Arbeitsraum, vermutlich für eine Badstube
- Filterzisterne mit Tonschicht, Sandstein-Schacht und Filterfüllung aus Kies und Bruchstein
- Kelleranlagen im Nordflügel mit Lüftungs- und Lichtschächten
- Sandsteinportal mit abgefasten Gewändeteilen
- Außenmauer eines Südflügels
- Eckturm im Nordwesten, nur in Resten erhalten
⚱️ Keramikfunde
- Becherkacheln, Hinweis auf Kachelofen im Wohnturm
- Keramikscherben aus dem 11.–14. Jahrhundert
- Hohlziegel im spätmittelalterlichen Fundgut
🧪 Glasfunde
- Scherbe eines blauen Glasbechers mit weißer Fadenauflage (11./12. Jh.), orientalischer Herkunft
- Türkis glasierte Fayencescherbe, mediterraner Import
⚔️ Metallfunde
- Pfeilspitzen
- Abgebrochene Schwertspitze
- Stachelsporn
- Unzählige Nägel, Hinweis auf holzgedeckte Gebäude
🦅 Jagdausrüstung
- Lockpfeife aus Horn, vermutlich für Falkenjagd
Quelle: https://journals.wlb-stuttgart.de/index.php/sh/article/view/3431/3437
Weitere Informationen sind im Buch der Archäologin Susanne Arnold zu finden das z.b. bei der Gesellschaft für Archäologie zu erwerben ist.
Heute vor Ort:
Heute bietet sich in Wolfsölden ein unscheinbarer Anblick: eine Wiese, ruhig und unspektakulär. Von der einst mächtigen Burg, die hier das Tal überragte, sind auf den ersten Blick keine sichtbaren Spuren mehr zu erkennen. Doch wer sich die Mühe macht, den Abhang zum Buchenbach hinabzusteigen, entdeckt eine andere, stillere Geschichte im Gelände. Immer wieder zeichnen sich alte Wege ab, die sich teils am Hang entlangziehen, teils den Abhang hinunterführen. Ihre genaue Entstehungszeit lässt sich nicht bestimmen, doch sie wirken wie Relikte einer vergangenen Nutzung – vielleicht einst von Fuhrwerken oder Fußgängern begangen, die zur Burg oder zur Mühle unterwegs waren.
Auch größere Ansammlungen von Steinen fallen ins Auge, manche davon wirken wie aufgeschichtete Mauerreste. Sie finden sich nicht nur in unmittelbarer Nähe der Burgstelle, sondern auch weiter entfernt im Gelände.
Insgesamt ist leider nicht mehr so viel erhalten, wie man es sich wünschen würde. Die einstige Anlage ist weitgehend verschwunden, ihre Mauern abgetragen, ihre Geschichte im Boden versunken. Ein letzter stiller Zeuge steht im Garten eines Hauses: Teile eines ehemaligen Eckturms.
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Unglaublich gute Arbeit 👍
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